Ragna Reusch: Die Frau, die mit der Kettensäge zeichnet und Zahnstochern Leben einhaucht
In der Welt der Kunst gibt es Persönlichkeiten, die sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Die in Ahausen, Niedersachsen, lebende Bildhauerin Ragna Reusch ist eine solche Künstlerin. Ihr Schaffen ist ein faszinierendes Spiel der Extreme: Auf der einen Seite steht die laute, kraftvolle und staubfliegende Arbeit mit der Kettensäge, mit der sie lebensgroße Figuren aus massiven Eichenstämmen formt. Auf der anderen Seite herrscht die stille, fast meditative Präzision, mit der sie aus der Spitze eines gewöhnlichen Zahnstochers filigrane Welten schnitzt. Doch diese Gegensätze sind kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille – einer Kunst, die das Leben in seiner ganzen Fülle feiert.
Aus dem prallen Leben fürs Leben: Die Philosophie hinter der Kunst
Ragna Reuschs künstlerisches Credo lautet: „Kunst mit der Kettensäge aus dem prallen Leben fürs Leben“. Ihre Werke sollen die Betrachter „positiv durch den Tag begleiten“ und sie „zum Schmunzeln einladen“. Nach einem vielseitigen Werdegang, der sie durch Disziplinen wie Musical, Modedesign und Figurentheater führte, fand sie in der Bildhauerei ihre wahre Berufung und schloss ihr Studium an der Hochschule für Künste in Bremen ab. Ihre Kunst ist direkt, humorvoll und zutiefst menschlich. Sie persifliert auf liebevolle Weise menschliche Typen und fängt Momente voller Dynamik und Energie ein.
Die Kettensäge als Pinsel: Tanzende Frauen und rote Pumps
Wenn Ragna Reusch zur Kettensäge greift, dann „zeichnet“ sie, wie sie es selbst nennt. Ihr bevorzugtes Material ist robustes Eichenholz, aus dem sie ihre Markenzeichenfiguren herausschält: üppige, farbenfroh bemalte Frauen, die niemals stillstehen. Sie balancieren, tanzen oder machen Handstände und strahlen dabei eine unglaubliche Leichtigkeit und Grazie aus. Reusch ist dabei die „Chefin“ über das Material; sie zwingt dem Holz ihren Willen auf und hat die fertige Figur bereits klar vor Augen, bevor der erste Schnitt erfolgt.
Ein wiederkehrendes und zentrales Symbol sind die leuchtend roten Pumps, die viele ihrer Damen tragen. Doch wer hier an Frivolität denkt, liegt falsch. Für Reusch sind die roten Schuhe ein Ausdruck „fröhlicher Selbstbestimmtheit“ – ein Symbol für die Freiheit, sich etwas herauszunehmen und das Leben nach eigenen Regeln zu gestalten. Sie sind ein Statement für weibliche Souveränität und Lebensfreude.
Die Magie des Banalen: Kunst aus der Zahnstocherspitze
Den absoluten Gegenpol zur lauten Kettensägenkunst bildet ihre Arbeit im Miniaturformat. Seit ihrer Kindheit schnitzt Reusch figürlich, und mit einem einfachen Taschenmesser erschafft sie aus dem „herrlich banalen“ Material eines Zahnstochers ganze Szenarien. Ob Jogger, Musiker, Tiere oder sogar die Köpfe von Politikern auf Bleistiftminen – ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Diese filigrane Kunst ist der leise, portable Teil ihres Schaffens. Ihre Werkstatt dafür passt in eine Tasche und besteht nur aus einer starken Lesebrille und ihrem liebsten Schnitzmesser. Indem sie dem Alltäglichsten eine solche Bedeutung und Kunstfertigkeit verleiht, unterstreicht sie ihre Philosophie, dass Kreativität überall zu finden ist.
Eine Künstlerin der Lebensfreude
Ragna Reuschs Werk erzählt „Geschichten zwischen Magie und Döntjes“ – kleinen, humorvollen Anekdoten. Ob monumental aus Eiche gesägt oder winzig klein aus einem Zahnstocher geschnitzt, ihre Figuren sind bevölkert von Charakteren, die das Leben umarmen. Sie vereint die rohe Kraft mit der feinsten Handwerkskunst und schafft so eine Kunst, die nahbar, humorvoll und zutiefst optimistisch ist. Ragna Reusch beweist eindrucksvoll, dass Kunst nicht nur tiefgründig, sondern auch eine Quelle purer, ansteckender Freude sein kann.
Mehr von Ragna Reusch auf Instagram unter @ragnareusch oder unter https://www.die-ahauser-schnitzerin.de/
Die Seelenlandschaften des Nordens: Die Künstlerin Uta Masch
Uta Maschs kreativer Prozess ist so einzigartig wie ihre Bilder. Sie fasst ihn in einem Satz zusammen, der den Kern ihres Schaffens trifft: „Im Draußen atme ich die Natur ein – im Atelier male ich sie aus.“ Anders als bei der klassischen Freilichtmalerei entstehen ihre Werke nicht direkt vor dem Motiv. Stattdessen sammelt sie auf ihren Streifzügen durch die Küsten, Moore und Felder Eindrücke, Stimmungen und Lichtverhältnisse. Sie atmet die Landschaft förmlich ein, um sie später, im geschützten Raum ihres Ateliers in der Künstlerkolonie Carlshöhe, aus der Erinnerung und dem Gefühl heraus wieder auszuatmen.
Was auf der Leinwand entsteht, ist daher eine Essenz, eine gefilterte und verdichtete Erfahrung. Masch möchte einen „schwebenden Zustand zwischen Realität und Illusion“ schaffen und das sichtbar machen, „was sich hinter dem Horizont verbirgt.“ Ihre Bilder sind der Niederschlag einer gelebten Erfahrung, transformiert durch Zeit und Emotion.
Der „Nordische Impressionismus“
Der Stil von Uta Masch wird oft als „nordischer Impressionismus“ beschrieben – eine Kunst, die „realistisch, wenngleich abstrahierend“ ist. Ihre visuelle Sprache ist unverwechselbar und wird von mehreren Elementen geprägt:
Der zügige Pinselstrich: Ihre Linien sind oft schnell, dynamisch, „manchmal ungeduldig“. Dieser gestische Auftrag verleiht den Werken eine spürbare Energie und Unmittelbarkeit.
Die erdige Farbpalette: Masch verzichtet auf laute Effekte. Ihre Farben sind die des norddeutschen Bodens, des Himmels und des Meeres. Eine oft „erdige, grau geprägte Farbpalette“ dominiert, in der Grau nicht die Abwesenheit von Farbe, sondern ein komplexer Träger von Licht und Stimmung ist.
Die Kraft der Atmosphäre: Details werden bewusst vernachlässigt. Stattdessen ist es die „atmosphärische Gesamtwirkung“, die das Motiv vervollständigt und den Betrachter aktiv einlädt, die Leerstellen mit der eigenen Vorstellungskraft zu füllen.
Eine Künstlerin, die Räume schafft
Uta Maschs Weg zur freien Kunst war kein direkter. Ihre Ausbildung zur Druckvorlagenherstellerin und ihre langjährige Tätigkeit als Mediengestalterin waren von technischer Präzision geprägt. Ihr heutiger expressiver Stil kann als bewusste Befreiung von dieser pixelgenauen Perfektion verstanden werden – eine persönliche Deklaration künstlerischer Freiheit.
Ihr Wirken beschränkt sich jedoch nicht auf die Leinwand. Als langjährige Leiterin der Galerie CARLS ART 78 in Eckernförde hat sie die regionale Kunstszene maßgeblich mitgestaltet und anderen Kunstschaffenden eine wichtige Plattform geboten. Ihr Engagement, unterstrichen durch Mitgliedschaften im Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) und anderen Vereinen, zeigt ein tiefes Verständnis für die gemeinschaftliche Kraft der Kunst.
Mehr zu Uta Masch auf Instagram unter https://www.artelier-masch.de/ und unter @uta_masch
Der Kunstmacher: Jan Eustergerling und die Poesie der Struktur
Es gibt Künstler, und es gibt „Kunstmacher“. Jan Eustergerling bezeichnet sich selbst bewusst als Letzteres und gibt damit einen entscheidenden Hinweis auf sein Schaffen. In seinen Werken trifft die disziplinierte Präzision eines Typografen auf die expressive Neugier eines bildenden Künstlers. Das Ergebnis ist eine Kunst, die unter dem Leitmotiv „Neugier // Geheimnis“ dazu einlädt, erkundet statt nur betrachtet zu werden.
Die Inspiration für seine Arbeiten findet Eustergerling in den rauen, elementaren Landschaften Norddeutschlands und Skandinaviens. Ihn interessieren nicht die pittoresken Ansichten, sondern das, was darunterliegt: die Muster, Rhythmen und Strukturen von Küsten, Wasser und Boden. Mit Tusche, Aquarell und Bleistift dekonstruiert er diese Eindrücke und setzt sie neu zusammen. Seine Linienführung ist dabei kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis einer zwanzigjährigen Karriere als erfolgreicher Grafikdesigner, die seiner Kunst heute ein solides handwerkliches Fundament gibt.
Eustergerlings Hinwendung zur Abstraktion ist eine philosophische Entscheidung. Er möchte sich der „Diktatur des Betrachters“ entziehen, wie er es nennt. Anstatt ein Motiv eindeutig vorzugeben, schafft er vielschichtige Kompositionen, die aus der Nähe unzählige Details offenbaren und aus der Ferne eine neue, geordnete Form annehmen. Seine Werke sind eine Einladung zum Dialog. Sie überlassen dem Betrachter die Freiheit, eigene Assoziationen zu finden und das „Geheimnis“ im Bild selbst zu lüften.
Dieser Weg vom angewandten Design zur freien Kunst war eine bewusste Wahl. Nach seiner Ausbildung zum Setzer und Stationen als Gasthörer an Kunsthochschulen war Eustergerling von 1995 bis 2014 als Designer tätig. Seitdem widmet er sich fast ausschließlich der Zeichnung. Heute ist er eine feste Größe in der norddeutschen Kunstszene, Mitglied im BBK Schleswig-Holstein und gibt sein Wissen als Dozent und in Workshops weiter.
Die Kunst von Jan Eustergerling ist somit mehr als nur ein visuelles Erlebnis. Sie ist eine intellektuelle und emotionale Reise, die an der Schnittstelle von kontrollierter Struktur und grenzenloser Neugier beginnt.
Ein Künstler, zwei Welten: Kurt Haugs faszinierendes Spiel zwischen Realität und Abstraktion
In der Kunstszene Schleswig-Holsteins gibt es einen Namen, der für eine bemerkenswerte künstlerische Bandbreite steht: Kurt Haug. Der in Neumünster lebende und arbeitende Maler und ehemalige Hochschulprofessor hat in über 60 Jahren ein Werk geschaffen, das von einer faszinierenden Dualität lebt. Er ist ein Meister zweier scheinbar gegensätzlicher Welten – des akribisch genauen Fotorealismus und der freien, expressiven Abstraktion.
Die Welt im Detail: Der Fotorealist
Ein Teil von Haugs Schaffen ist der präzisen Darstellung der Wirklichkeit gewidmet. Seine fotorealistischen Porträts, Stillleben und Landschaften sind technische Meisterleistungen, die aus wochen-, manchmal monatelanger, hochkonzentrierter Arbeit entstehen. Doch Haug geht es um mehr als nur die perfekte Abbildung. Er beschreibt sein Ziel als die Suche nach dem „spannungsvollen Eigenleben und einer vielschichtigen Atmosphäre“ in seinen Bildern. Er will die psychologische Tiefe eines Porträts oder die surreale Aura eines Stilllebens einfangen und so die Seele hinter der sichtbaren Oberfläche freilegen.
Die Freiheit der Farbe: Der Abstrakte
Diesen „aufreibenden Prozess“ der Detailarbeit gleicht Haug mit einer völlig anderen Herangehensweise aus: der Abstraktion. Um, wie er sagt, „Abstand zu gewinnen und sich wieder frei zu malen“, schafft er seit Jahrzehnten parallel ungegenständliche Werke. Diese oft als „Blue Notes“ bezeichneten Bilder sind sein kreatives Ventil. Hier dominiert die Geste, die Emotion und vor allem die Farbe Blau, die in vielen dieser Arbeiten die Hauptrolle spielt. Diese Werke sind keine bloßen Skizzen, sondern existenziell wichtiger Teil seines Schaffens – ein Raum der Freiheit, der die Disziplin des Realismus erst möglich macht.
Eine Philosophie der Balance
Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch wirkt, ist in Wahrheit der Kern von Kurt Haugs künstlerischer Philosophie. Fotorealismus und Abstraktion sind für ihn keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille, die sich gegenseitig bedingen. Die Freiheit der Abstraktion gibt ihm die Energie für die Disziplin des Realismus und umgekehrt. Es ist diese Balance, die sein Werk so tiefgründig und beständig macht.
Sein Einfluss reicht weit über sein eigenes Atelier hinaus. Als Professor für Freie Malerei an der Kunsthochschule Kassel hat er über 31 Jahre lang Generationen von Künstlerinnen und Künstlern geprägt. Seine Lehre basierte nicht auf einem starren Stil, sondern auf der Ermutigung zur individuellen Entfaltung – getreu seinem Motto: „Gute Bilder sprechen für sich selbst“. Heute, von seinem Atelier in Neumünster aus, setzt Kurt Haug sein beeindruckendes Lebenswerk fort und beweist, dass die spannendste Kunst oft im Raum zwischen den Polen entsteht.